Wettbewerbsfaktor attraktive und mitarbeitergerechte Dienstplangestaltung

Personalknappheit ist in den letzten Jahren für viele Krankenhäuser die Erlösbremse Nr. 1. Die Reaktionen darauf führen vielfach in einen Teufelskreis: Um Bettensperrungen zu vermeiden, wird der Leistungsdruck erhöht. Die Krankheitsquoten steigen, die Anforderungen an das Ausfallmanagement ebenfalls. Das Committment für den Arbeitgeber Krankenhaus erreicht ein kritisch niedriges Niveau. Personal wandert in die Leiharbeit ab.

Sind attraktivere Arbeitszeitmodelle und eine mitarbeiterorientierte Dienstplanung ein geeigneter Ausweg aus dem Dilemma? Kann es so gelingen, mehr qualifizierte Pflegepersonen, Ärztinnen und Ärzte zu gewinnen und zu halten?

Wir meinen: grundsätzlich JA. Attraktive Arbeitszeitmodelle sind EIN Baustein für eine Stabilisierung der Personalsituation,

  • WENN man eine gut balancierte Belastungssteuerung ansteuert und
  • WENN man die verschiedenen Lebenslagen berücksichtigt und nicht ausschließlich auf Mitarbeitende mit kleinen Kindern schaut und
  • WENN man solche Projekte mit REALISTISCHEN Erwartungen verknüpft. Kliniken sind keine 9-5 Betriebe und werden es auch nie werden.

In jeder Projektphase, von der Entwicklung, Pilotierung und Evaluation attraktiver Arbeitszeitmodelle bis zum Change Management profitieren Sie von unseren Beratungsleistungen und letztlich von unserer Erfahrung mit der Dienstsplanung im Krankenhaus.

Das Spektrum der Möglichkeiten ausloten – und die Mitarbeitenden einbeziehen

Zunächst ist wichtig, dass Pflegedienstleitungen und Stationsleitungen, Chef- und Oberärzte/innen in den Design-Prozess aktiv einbezogen werden. Darüberhinaus ist auch die gezielte Einbeziehung von Mitarbeitenden ohne Führungsaufgaben wichtig, z.B. in Fokusgruppen, Evaluationsrunden etc. Um die verschiedenen Lebenssituationen von Mitarbeitenden zu erfassen, ist der Persona-Ansatz hilfreich. Was für den einen ungünstig ist, kann für den anderen günstig sein. Es braucht also eine Vielfalt an Möglichkeiten und deren systematische Integration bei der Personaleinsatzsteuerung.

Bedürfnisse von Mitarbeitenden mit und ohne familiäre Verfügbarkeitseinschränkungen müssen bei der Dienstplanung berücksichtigt werden

Ein wichtiger Aspekt der Konzeption ist die Offenheit für Ideen im Führungs- und Mitarbeiter/innen-Kreis Ihres Klinikums. Hier eine kurze Übersicht über das Spektrum der Möglichkeiten:

  • Neue Teilzeitmodelle (kürzere Schichten, weniger Tage, saisonale Teilzeit, Jobsharing-Modelle) und Modelle für verschiedene Verfügbarkeitseinschränkungen
    • Dazu gehöhren geeignete Steuerungsregeln und -prozesse (wer kann im Team nach welchem Modell arbeiten?)
  • Alternative Vollzeitmodelle und 4-Tage-Woche
    • Formal handelt es sich bei der Verdichtung von Vollzeitarbeit auf 4 Tage (mit längeren Schichten) nicht um eine „4-Tage-Woche“, sondern um eben ein Vollzeit-Arbeitszeitmodell mit 4 Schichten pro Woche
    • Eine 4-Tage-Woche im engeren Sinn wäre eine Arbeitszeitreduzierung ohne Lohnverzicht. Modelle mit etwas reduzierter Arbeitszeit ohne Lohnverzicht könnten möglicherweise im Vollkonti-Betrieb von Notaufnahmen zukünftig eine Rolle spielen.
    • Letztlich kann man Wochenarbeitszeiten und die mittlere Anzahl von Schichten pro Woche in verschiedenen Modellen kombinieren – wenn es vom Arbeitsprozess her passt.
  • Langfristige Rollenpläne
    • vom Freie-Tage-Schema über grobe Rahmendienstpläne bis hin zu detaillierteren Schichtmodellen
  • Ansätze für die Selbstplanung im Team als eine Möglichkeit, jenseits des Wunschbuchs die Flexibilität zu verbessern
    • Verschiedene Formen der Mitwirkung im Dienstplanungsprozess, mit unterschiedlichem Vorgabe-Niveau.
  • Buchungsmodelle: Mitarbeitende können sich in einem System selbst buchen; i.d.R. sehr flexible Mitarbeitenden-Gruppen, als Ergänzung zu einem bestehenden Dienstplan mit „Lücken“

Bei der Modellentwicklung müsen natürlich Strukturen und Prozessen berücksichtigt werden.

Vor allem aber muss die „Koordination der Kooperation“ gut geregelt sein. Dies geschieht z.B. mit optimierten klinischen Tagesabläufen (strukturierter Tagesablauf), einem optimierten Qualifikations-Mix (mit Methoden zur Steuerung und Koordination) und entsprechenden Abstimmungs- und Übergabemodalitäten (intra- und interprofessionell).

Im ärztlichen Dienst werden v.a. verschiedene Bereitschaftsmodelle mit Schichtmodellen verglichen. Dabei geht es erfahrungsgemäß darum, eine Balance zwischen sozialverträglichen Arbeitszeitmodellen mit einer entsprechenden Dienstplanung einerseits und einer erträglichen Arbeitsbelastung in den Diensten andererseits zu erreichen.

Eine besondere Herausforderung im Hinblick auf Arbeitszeitattraktivität stellt dabei die Notaufnahme dar. Hier sehen wir regelhaft einen hohen Besetzungsbedarf im Spätdienst und am Wochenende, meist mit entsprechenden „relativen Minderbesetzungen“ samt allen Konsequenzen. Kann man da ein familiengerechtes Modell entwickeln? Wir beraten Notaufnahmen seit über 20 Jahren und haben viel Erfahrung bei der Verbesserung der Attraktivität von Schichtarbeit. So können wir u.a. Schichtmodelle mit verminderter Wochenarbeitszeit darstellen, die von Schichtarbeitenden i.d.R. gut akzeptiert werden.

Im Hinblick auf die Chancengleichheit bei der Arbeitsgestaltung ist auch die Arbeitszeitabhängigkeit der Weiterbildung zu betrachten. Hier geht es v.a. darum, wie auch bei bestehenden Verfügbarkeitseinschränkungen und/oder Teilzeitmodellen eine gezielte Weiterbildung von AiW realisiert werden kann. Motto: „Weiterbildung findet nicht nur in Vollzeit statt, sondern ist für alle zugänglich“. Dabei gilt das Gebot der Fairness sowohl für Vollzeit-, als auch Teilzeitmitarbeitende, was praktisch z.B. bedeutet, dass die Einsatzzeiten in Funktionsbereichen dem relativen Stundenanteil entsprechen (aber für alle möglich und geplant sein) sollten.

Bei allen Modellen betrachten wir auch das Ausfallmanagement (denn das schönste Modell hilft nichts, wenn es bei Ausfällen nicht realisiert werden kann). Ein gut strukturiertes Ausfallmanagement, mit klar definierten Ressourcen und Prozessen, führt zu mehr Dienstplan-Verlässlichkeit, was unmittelbar der Vereinbarkeit von Privatleben/Familie und Beruf zugutekommt.

Methodisch ist bei allen Modellen sicherzustellen, dass der Besetzungsbedarf abgedeckt wird. Wo möglich, kann der Besetzungsbedarf durch geeignete Organisationsformen so gestaltet werden, dass günstigere Arbeitszeitmodelle realisierbar werden (z.B. durch einen strukturierten Tagesablauf auf den Stationen), wobei auch hier auf die Koordination und Synchronisation mit allen relevanten Schnittstellen (z.B. OP) zu achten ist. Ordnungsrechtliche Vorgaben, die eine bestimmte Besetzungsstärke erfordern (z.B. PpUGV) werden beachtet. Die bevorstehende Einführung der PPR 2.0 ist zwar kein primärer Projektgegenstand, wird aber in ihren vielfältigen Auswirkungen mit berücksichtigt.

Agiler Projektansatz bei der Entwicklung attraktiver Arbeitszeit- und Dienstplanmodelle

Agiler Projektansatz bei der Entwicklung attraktiver Arbeitszeit- und Dienstplanmodelle

Zunächst sprechen wir mit den Leitungskräften der verschiedenen Stationen und Berufsgruppen, interpretieren gemeinsam die Datenlage und überlegen, welche Bedarfe betrieblich und welche Bedürfnisse von Seiten der Mitarbeitenden besonders betrachtet werden sollen.

Dann entwickeln wir erste Konzept-Ideen, die wir mit den Leitungen priorisieren und weiterentwickeln. Mit diesen bereits grob passenden Ideen gehen wir in Workshops mit Mitarbeitenden (Fokusgruppen), die uns weitere Fragen, Bedürfnisse und Impulse mitgeben, so dass die ersten Konzept-Ideen weiterentwickelt werden können.

Neben der Neuentwicklung von Konzepten wollen wir uns an Ihrer Klinik nach bereits vorhandenen Best-Practice-Beispielen umsehen und -hören:

  • Wo gibt es bereits eine hohe Arbeitszeit-Zufriedenheit?
  • Wer hat bereits innovative Modelle umgesetzt?
  • Wo wird die Chancengleichheit, insbesondere bei den Ärztinnen und Ärzten, besonders positiv bewertet?

Wir glauben, dass es hilfreich ist, neben den Projektbereichen auch mit anderen, innovativen Abteilungen, Stationen oder einzelnen Führungspersonen Kontakt aufzunehmen. Nichts wirkt besser, als ein erfolgreich umgesetztes Beispiel im eigenen Haus.

Sobald umsetzbare (und von den Mitarbeitenden positiv eingestufte) Konzepte verfügbar sind, können diese gemeinsam mit den Nutzer/innen-Gruppen getestet und verbessert werden, bis eine wirklich praktikable und zufriedenstellende Ausgestaltung erreicht ist. Es handelt sich um ein iteratives Vorgehen, das bei komplexen Zielstellungen besser geeignet ist, als die Idee, eine perfekt Lösung auf dem Reißbrett zu entwickeln.

Pilotstationen sollen schrittweise in den Entwicklungs- und Veränderungsprozess einbezogen werden.

Das agile Vorgehen erfordert eine intensive Begleitung der entsprechenden Teams und eine laufende Rückkopplung mit den Leitungskräften.

Mit der Zeit entsteht ein „Werkzeugkoffer für lebensphasengerechtes Arbeitszeit- und Dienstplan-Management“, der bereits für die jeweils folgenden Pilot-Stationen zur Verfügung steht und laufend größer und besser wird.

Ein Werkzeugkoffer für attraktive Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung im Krankenhaus

Alternative Bereitschaftsdienst- und Schichtmodelle mit Dienstplan-Rhythmen (rhythmische Schichtfolgen, die im z.B. in Rahmendienstpläne eingepflegt werden können)

Dienstplan-Tools zur Verprobung von alternativen Dienstplanmodellen, bevor man diese aufwändig im PEP-System anlegt.

Tools zur grafischen Darstellung von Besetzungsbedarf und geplanter Besetzungsstärke im Wochenbesetzungsplan (Schichtarten * Sollbesetzung). So kann die Passung zwischen Arbeitsanfall und Einsatz der Arbeitszeit geprüft und optimiert werden.

Verschiedene Teilzeit-Modelle (ganze Schichten, Teilschichten – deren Integrierbarkeit mit den o.g. Tools geprüft und optimiert werden kann).

Strukturierte Stations-Tagesabläufe (mit Tool zu deren Anpassung), welche alternative Dienst- bzw. Schichtzeiten auch für Vollzeit-Mitarbeitende ermöglichen (z.B. 10-Stunden-Schichten).

(Anpassbare) Regeln, z.B. .für

  • Dienstplanungs-Prozess (jenseits des Wunschbuchs)
  • Teilzeit-Integration
  • Berücksichtigung von Verfügbarkeitseinschränkungen
  • Urlaubsplanung und insbesondere
  • das gestufte Ausfallmanagement (gesamter Prozess mit Verantwortlichkeiten etc.)

Ein Tool zur Abstimmung von Arbeitszeit-Varianten in Teams mit der Methode des „systemischen Konsensierens“.